Musisch-kreative Biografiearbeit | Workshop
Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.
Diesen Gedanken des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard trage ich schon lange mit mir. Er hilft, gelebtes Leben einzuordnen – besonders dann, wenn man rückblickend begreift, wie vieles erst im Nachhinein Sinn ergibt. Je älter ich wurde, desto mehr wuchs meine Überzeugung: Biografiearbeit kann heilsam sein. Und sie wird umso kraftvoller, wenn sie nicht nur erzählt, sondern sichtbar, hörbar und erfahrbar wird – mit den Mitteln moderner Medien.
Was mich in der Biografiearbeit leitet: Ich arbeite nicht von außen über Lebensgeschichten, sondern aus eigener Erfahrung heraus – mit einem tiefen Vertrauen in den schöpferischen Prozess. Über viele Jahre hinweg – durch Gespräche, Führungen durch den ehemaligen Arbeitsplatz, eigene Projekte – habe ich erlebt, wie viel Kraft in kleinen Formen liegt. Allein in einem gesprochenen Satz, einer Tonaufnahme, einer Erinnerungscollage. Was zählt, ist und bleibt nicht Vollständigkeit oder technischer Schliff. Was wirklich zählt, ist die Würde im Erinnern – und die Freiheit, das Eigene in der eigenen Sprache ausdrücken zu dürfen. Prozesse, die ich gern begleite mit offenem Ohr, klarem Blick – und Freude an dem, was entstehen kann.
Nach meinem tiefgreifenden Biografiebruch 1991 begann ich, diese Form der audiovisuellen Selbstklärung selbst auszuprobieren. Schritt für Schritt entwickelte ich eine persönliche, etwas andere Form der Biografiearbeit – kreativ, multimedial, lebensnah. Was mir dabei zugute kam? Ein buntes berufliches Leben – mit ganz unterschiedlichen Rollen und Erfahrungen: als Alleinerziehende, als Musik- und Medienpädagogin, als Redaktionsassistentin und Musikredakteurin im Radio, als Online-Contentmanagerin, als Pflegende meiner hochbetagten Mutter, ergänzt durch ein Studium zur praktischen Altenbetreuung. Ein facettenreicher Lebensweg – und genau das macht meine Perspektive so offen für andere Biografien. Heute gebe ich meine Erfahrungen weiter – in welcher Form auch immer das gerade machbar ist. Ich zeige, wie sich Lebensgeschichten mit Bildern, Tönen, Film und Collagen nicht nur erzählen lassen und dabei oftmals Überraschendes geschieht: Die Angst vor Technik verwandelt sich in Neugier. Und aus einzelnen Erinnerungsstücken entstehen Lebensbücher, Hörgeschichten oder digitale Erbstücke. Was mich motiviert: Ich möchte Menschen ermutigen, das eigene Leben oder das anderer nicht nur zu erinnern, sondern kreativ zu gestalten – multimedial, offen, mit Herz und Verstand.
Biografische Selbstreflexion kann bereits bei Kindern und Jugendlichen einsetzen, die bei Adoptiveltern oder im Heim leb/t/en und dadurch nur wenige Informationen über ihre Herkunft haben. Eine Fortsetzung kann die Arbeit mit der Biografie insbesondere bei Menschen im mittleren Lebensalter finden, die Krisen auch als eine Chance begreifen wollen. Gleichwohl aber auch bei Menschen, die individuell nach Wegen suchen, die es leichter machen, sich "am Tag x" in Dankbarkeit und mit dem Leben versöhnt daraus verabschieden zu können. Kurzum: Biografiearbeit kennt keine Altersgrenze. Deshalb ist es nie zu früh, aber auch selten zu spät, die Weichen im Leben noch mal neu zu stellen. Ergänzende Gedanken zur Vertiefung des Themas: