Wenn Geschichte weitergeht und Menschen wieder zuhören




1991 war plötzlich Schluss. Nach Jahren engagierter Arbeit im Rundfunk der DDR, in einem Beruf, der mir erst nach der Wende die Luft zum freien Atmen bot, kam das abrupte Ende. Ich war 42 Jahre alt, alleinerziehend – und wie viele andere wurde ich „abgewickelt“. Trotz Kündigungsschutz. Trotz Kompetenz. Die Rundfunklandschaft der ehemaligen DDR war im vereinten Deutschland nicht mehr gefragt. Nicht mal da, wo sie sich – wie beim Jugendradio DT64 – längst selbst transformiert hatte. Und so galten auch meine Erfahrungen plötzlich als verzichtbar.

Doch Aufgeben war für mich nie eine Option. Gezwungenermaßen absolvierte ich wiederholt ABMs und Weiterbildungen. Ich agierte wiederholt auch als „Mädchen für alles“ im einstigen "Feindsender" der DDR - im SFB, später RBB. Parallel zu allem ich bildete mich privat kontinuierlich weiter. Ich entwickelte eigene medienpädagogische Angebote, lange bevor es dafür Plattformen gab.

2007 wagte ich mich zum ersten Mal an die Gestaltung eigener Websites – und veröffentlichte sie auch selbst im Netz. Schritt für Schritt lernte ich, Inhalte zu strukturieren, aufzubereiten und digital zugänglich zu machen. Seit 2009 betreibe ich unter anderem die Website zeitreise-nalepafunk.com – ein persönliches Archiv, ein Denkraum, ein Erzählort(im besten Sinne des Wortes). Und dann kam 2023. Über drei Jahrzehnte später wurde ich – analog – plötzlich wieder gebraucht. Genau an dem Ort, an dem ich einst entlassen wurde: im noch vorhandenen Teil des ehemaligen Funkhauses in der Nalepastraße. Der aktuelle Eigentümer bat mich, dort Führungen als Zeitzeugin zu übernehmen. Ich war überrascht – gerührt – und plötzlich mittendrin. Ich entwickelte ein Konzept: Bilder zum Zeigen, O-Töne zum Hören, Originalmaterialien zum Anfassen – Dinge, mit denen ich als Musikredakteurin in analogen Zeiten gearbeitet hatte. Und siehe da: Menschen hörten zu. Mit echtem Interesse.

Kaum hatte ich begonnen, kam im Juni 2024 die nächste Zäsur: eine Krebsdiagnose – doppelseitiger Brustkrebs. Doch auch das habe ich soweit überstanden. Die Nachbehandlungen nach der OP verliefen und verlaufen gut. Und wenn der Krebs nicht zurückkehrt, steht nichts im Weg, was sich seit 2023 so überraschend geöffnet hat.

Und das Interesse an den Führungen? Die Anfragen dafür wachsen. Ganz nach dem abgewandelten Motto "Die Geister, die ich rief, sind gekommen – und ich bin dankbar, dass sie geblieben sind."


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Manchmal werden Lieder zu Lebenslinien.

Für mich war „Über sieben Brücken musst du gehn“ immer ein solches Lied – leise, stark, poetisch. Ich habe es oft gehört. Ich habe es mitgesungen. Und ich erinnere mich noch genau an einen dieser besonderen Momente: 2015 – "Karat" feierte sein 40. Jubiläum in der Berliner Waldbühne. Ich saß im Publikum. Und als die ersten Töne erklangen, sang ich mit. Damals war es einfach ein bewegender Moment. Heute sehe ich ihn in einem neuen Licht. Denn rückblickend erzählt dieses Lied etwas über mich selbst: über Wege, Brüche, Umwege. Über Abschied, Zweifel – und den Mut, weiterzugehen. Vielleicht wurde ich deshalb 2023 wieder gefragt. Vielleicht habe ich die „siebte Brücke“ längst überschritten – ohne es zu merken.

Das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“ hat eine besondere Entstehungsgeschichte. Und die beginnt nicht in einem Produktionsstudio – sondern auf dem Papier: Helmut Richter, DDR-Schriftsteller, schrieb zunächst eine literarische Erzählung. Daraus wurde ein DEFA-Film – und für dessen Abspann verfasste Richter 1978 einen eigenen Songtext.

Die Musik dazu komponierte Ulrich „Ed“ Swillms, Musiker bei Karat. Aufgenommen wurde der Song im Europa-Studio in Berlin-Grünau. 1979 erschien der Song auf dem Album „Über sieben Brücken“ – und wurde zur Hymne einer Generation. Ein Jahr später sang Peter Maffay den Titel im Westen – und verband damit, was lange getrennt war. Heute singt Claudius Dreilich, Sohn von Karat-Sänger Herbert Dreilich, das Lied weiter – und es klingt immer noch nach. Zur MediaBox I LeseStoff ...